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Kraftstoffe für die Zukunft

Die klimaneutrale Weiterentwicklung der Verbrennertechnologie rückt in greifbare Nähe

Die Reduzierung der Treibhausgase ist eine der großen Herausforderungen in der Off-Highway-Branche. Mit dem Ziel, in Zukunft Netto-Null-Emissionen zu erreichen, arbeiten die Aussteller der Systems & Components an alternativen Antriebskonzepten und verfolgen dabei einen offenen Technologieansatz, der auch etablierte Systeme fit für die Zukunft macht. Mit Blick auf die Innovationen, die vom 9. bis 15. November auf dem Messegelände in Hannover präsentiert werden, zeigt sich: Der Dieselmotor wird weiterhin seinen Platz haben – aber nicht mehr der "Allrounder" für alles sein.

So unterschiedlich die Aufgaben von Land- und Baumaschinen sind, eines haben fast all diese Fahrzeuge gemeinsam: den Dieselmotor. Nach wie vor hat er am Off-Highway-Markt einen Anteil von über 80 Prozent. Seine Robustheit, die niedrigen Betriebskosten sowie das unkomplizierte und schnelle Nachtanken sind die Basis für seine Attraktivität. Experten gehen davon aus, dass bis 2035 noch immer mehr als dreiviertel der Fahrzeuge über 56 Kilowatt einen Dieselmotor haben werden.

Für Petra Kaiser von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) steht es deshalb außer Frage, dass Verbrennungsmotoren für schwere Nutzfahrzeuge noch lange nicht ausgedient haben. Doch die Brand Managerin der Systems & Components weiß auch: „Die Diskussionen um schadstoffarme Antriebsalternativen lassen die Anbieter mobiler Arbeitsmaschinen nicht kalt. Selbst Heavy-Duty-Motoren rücken dabei immer stärker ins Blickfeld der Ingenieure, um in jedem Leistungsbereich die geforderte Abgasqualität zu bieten und den Verbrauch an Kraftstoff zu reduzieren.“

Klassische Verbrenner weiterhin notwendig

Die Aussteller auf dem Messegelände in Hannover haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Zukunft des Antriebs technologieoffen zu gestalten. Die auf der Systems & Components gezeigten Konzepte beruhen nicht auf einem Entweder-oder, sondern einem Sowohl-als-auch: Die Motorenplattformen sind mit einer Vielzahl aktueller und künftiger, kohlenstoffarmer und kohlenstofffreier Kraftstoffe kompatibel, darunter Erdgas, synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und Wasserstoff, um den Übergang in die neuen Technologien reibungslos zu gestalten.

Gleichzeitig werden existierende Diesel-Konzepte gezielt hin zu höherer Effizienz optimiert. „Dies gilt vor allem für Schlüsselkomponenten im Bereich der Abgasnachbehandlung, die sauberere Motoren ermöglichen“, bestätigt Deutz-CEO Dr. Sebastian C. Schulte. Eine Möglichkeit ist, den Verbrennungsmotor im Magerbetrieb arbeiten zu lassen. Das heißt, dass der Motor mit einem Luftüberschuss läuft und bei vergleichbarer Leistung niedrigere Emissionen als ein konventioneller Dieselmotor aufweist. Damit diese Betriebsart nicht die Motordynamik beeinträchtigt, hat Liebherr einen Luftbooster entwickelt. Er gewinnt hydraulische Energie zurück und nutzt sie, um bei Bedarf einen mechanischen Kompressor anzutreiben. Sollte kurzfristig Leistung benötigt werden, wird das System aktiviert – und der Kompressor fördert zusätzliche Luft in den Motor, damit dieser schnell auf die Leistungsanforderung ansprechen kann.

Heavy-Duty-Bereich setzt auf klimaneutrale Alternativen

Die Technologie ist darüber hinaus für Antriebe mit alternativen Kraftstoffen von Interesse – denn der hydraulische Luftverstärker kann Wasserstoffmotoren helfen, ihre Leistung schneller zu entfalten, um mit der von Dieselmotoren mitzuhalten. Auch Ammoniakmotoren, die ein gutes dynamisches Verhalten aufweisen, könnten profitieren. Durch die Verringerung der Motordrehzahl steigt der Wirkungsgrad, und der Kraftstoffverbrauch sinkt. Fest steht aber: Mit der Weiterentwicklung des Dieselmotors allein ist es nicht getan. Die Forderungen nach Klimaneutralität und die zunehmend strengeren Grenzwerte zwingen die Motorenhersteller, nach Alternativen jenseits des Dieselmotors zu suchen, der nur noch mit aufwändiger Abgasnachbehandlung die Normen der EU-Stufe V erfüllt.

Vor diesem Hintergrund gilt es für viele Betreiber, die Bestandsflotte mobiler Arbeitsmaschinen mit fossil betriebenen Kraftstoffen klimafreundlicher zu machen – beispielsweise durch regenerativ hergestelltes HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) oder Ethanol. Gewonnen aus Abfall- und Reststoffen verursachen HVO-Kraftstoffe bis zu 90 Prozent weniger CO2 als fossiler Diesel. Beide Lösungen zählen für Landmaschinen- und Baumaschinenhersteller zu den vielversprechendsten Optionen für eine kurzfristige Integration in Nutzfahrzeuge. Als Kraftstoff mit hoher Oktanzahl eignet sich Ethanol besonders gut für Ottomotoren im oberen Leistungssegment. So hat John Deere bereits auf der AGRITECHNICA 2023 seinen 9.0 L Konzept-Motor vorgestellt, der mit erneuerbaren und alkoholbasierten Kraftstoffen einsetzbar ist. Ein weiteres Beispiel ist der LH60M Bagger von Liebherr, der mit HVO100 betankt werden kann.

Grüner Wasserstoff treibt die Dekarbonisierung voran

Zu den Megatrends auf der Systems & Components zählen nach wie vor die Wasserstoffverbrennungsmotoren. Aufgrund ihrer prinzipbedingten Eigenschaften wie Effizienz, Robustheit und geringe Rohemissionen sind sie „ein vielversprechender Ansatz, um die Dekarbonisierung von Offroad-Antrieben zu beschleunigen“, sagt Mikael Lindner, Head of MAN Engines. Wasserstoffmotoren sind zudem eine geeignete Ergänzung zu Brennstoffzellen und Power-to-Liquid-Prozessen (für E-Fuels), da sie die gleichen Speichersysteme sowie die gleiche Infrastruktur erfordert. Ein weiterer Pluspunkt: Sie können vergleichsweise schnell auf den Markt gebracht werden und lassen sich in eine Vielzahl von Kleinserien-Anwendungen mit unterschiedlichen Belastungsprofilen einbauen. „Für die begonnene Serienproduktion unseres Wasserstoffmotors TCG 7.8 H2 musste lediglich der Prüfstand angepasst werden, die Motoren laufen vom gleichen Band“, betont Dr. Ing. Petra Mayer, COO der Deutz AG. Der Sechszylindermotor, der mit 220 Kilowatt Leistung nicht nur CO2-neutral, sondern darüber hinaus sehr leise läuft, baut auf einem bestehenden Motorkonzept von Deutz auf.

Exemplarisch für die aktuellen Fortschritte steht zudem der MAN H4576, der auf dem etablierten Dieselmotor MAN D3876 basiert. Dieser teilt rund 80 Prozent seiner Bauteile wie Kurbelgehäuse, Welle, Pleuel sowie Kühl- und Ölkreislauf inklusive Pumpen und Filter mit dem Wasserstoffmotor. Die nahezu identischen Abmessungen erleichtern die Integration in bestehende Fahrzeugkonzepte. Wesentliche Modifikationen wurden an den Komponenten zur Wasserstoffversorgung und -verbrennung, der Motorsteuerung sowie der Abgasregulierung vorgenommen. Im Vergleich zum Dieselmotor werden zudem neue Kolben und Laufbuchsen benötigt, da der Kolbendurchmesser auf 145 Millimeter vergrößert wurde. Mit dem sich daraus ergebenden höheren Hubraum von 16,8 Litern wird eine Performance von 368 Kilowatt (500 PS) erzielt, die der eines Dieselmotors mit 12,4 Litern Hubraum entspricht.

Kraftstoffflexibilität als Muss für moderne Motoren

„Für den Wasserstoffmotor lassen sich mehr als 90 Prozent bestehender Entwicklungs- und Fertigungstechnologien nutzen. So können wir große Teile unserer Wertschöpfungskette erhalten – was auch für den Ersatzteilmarkt gilt“, sagt Jan-Oliver Röhrl, Executive Vice President Commercial Vehicles and Off-Road bei Bosch. Neue Injektoren, wie etwa der AFI-LP (Alternative Fuel Injector – Low Pressure) von Bosch, bieten neben der Direkteinspritzung von Wasserstoff auch die Option zur Verwendung anderer Kraftstoffe wie beispielsweise Methanol sowohl für Saugrohr- als auch Direkteinspritzung. Das gewährt Motorenherstellern größtmögliche Flexibilität auf dem Weg in eine emissionsfreie Zukunft. Zu den jüngsten Innovationen des Unternehmens zählt ein Injektor für die Wasserstoff-Direkteinblasung, der ohne zusätzliche Schmierung auskommt.

Und noch ein weiterer Trend spiegelt sich vom 9. bis 15. November auf der Systems & Components in Hannover wider: Multi- und Dual-Fuel-Motoren. Sie werden mit verschiedenen Kraftstoffen und Gasen betrieben oder nutzen Energieträger, die sich nur mit einem Piloten zünden lassen. Sie bieten den Kunden eine kohlenstoffarme Zwischenlösung, bis geeignete emissionsfreie Alternativen verfügbar werden. Auch der MAN H4576 ist als Dual-Fuel-Motor konzipiert und lässt sich in Kombination mit herkömmlichem Diesel oder HVO einsetzen. Dass sich mittlerweile auch Ammoniak-Motoren in der Entwicklung befinden, zeigt ein Mockup von Liebherr. Es basiert ebenfalls auf einem Dual-Fuel-Motor. Während grünes Ammoniak die Hauptenergie liefert, sorgt entweder Diesel oder klimaneutraler Wasserstoff für die Zündung.