KI-gestützte Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft
Sensorfusion und Edge Computing im Precision Farming
Landmaschinenhersteller stehen heute vor der Herausforderung, komplexe Assistenzfunktionen für das Precision Farming zu realisieren und dabei die Zuverlässigkeit und Einfachheit ihrer Systeme zu erhalten. Sensorfusion und Edge Computing zählen dabei zu den Schlüsseltechnologien, die vom 9. bis 15. November in Hannover sowohl auf der AGRITECHNICA als auch der SYSTEMS & COMPONENTS präsentiert und intensiv diskutiert werden. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen am Markt zeigt sich: Wenn Landwirtinnen und Landwirte künftig wissen wollen, wie ergiebig ihre Ernte sein wird, liefert nicht mehr nur Erfahrung die Antwort – sondern KI-gestützte Technologieplattformen.
Die Bedeutung von Precision Farming-Technologien nimmt im Hinblick auf die Optimierung der Feldwirtschaft immer weiter zu. Zentrales Merkmal der "Präzisionslandwirtschaft" ist eine punktgenaue teilflächenspezifische Bewirtschaftung. Dafür werden konstant Daten erhoben und ausgewertet, zum Beispiel zur Bodenerosion einzelner Flurstücke oder zum Wachstumsverhalten der angebauten Pflanzen. Gibt es beispielsweise witterungsbedingte Verzögerungen im Reifeprozess, werden die Mähdrescher zunächst an andere Einsatzorte dirigiert. Ein Lohnunternehmen kann so seine Maschinen und sein Personal datengestützt zielgenau disponieren. Im Idealfall wird jede einzelne Nutzpflanze so gefördert, dass sich ihr Ertragspotenzial bestmöglich ausschöpfen lässt.

Echtzeitdaten treiben die Automatisierung
Welche Fortschritte gibt es beim Precision Farming? Petra Kaiser von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) verfolgt die Entwicklungen, die auf der diesjährigen AGRITECHNICA und SYSTEMS & COMPONENTS unter dem Leitthema "Touch Smart Efficiency" gebündelt werden, schon länger. „Der Agrarsektor durchläuft derzeit einen tiefgreifenden technologischen Wandel, der geprägt ist von Landmaschinen, die mit zahlreichen Sensoren und Prozessoren ausgestattet sind“, sagt die Brand Managerin der SYSTEMS & COMPONENTS. Neben autonom fahrenden Traktoren für die präzise Bodenbearbeitung und Aussaat, autonomen Sprühdrohnen für eine gezielte Beikrautregulierung, intelligenten Bewässerungssystemen, die sich automatisch an Wetterbedingungen und Bodenfeuchtigkeit anpassen, zählen auch fahrerlose Agrarroboter für eine schonende Ernte dazu. Sie gehören zweifellos zu den auffälligsten Vertretern der digitalen Landwirtschaft.
Ob Säen, Düngen oder Ernten: Die Daten aus den Maschinen spielen eine zunehmend wichtige Rolle auf dem Weg zu mehr Effizienz und Nachhaltigkeit. Beispielsweise helfen kontaktlose Drehmomentsensoren zur Leistungsmessung an der Zapfwelle dabei, die Maschinen präziser zu steuern. Als einfach zu integrierende Plug-in-Lösung ermöglichen sie in Düngerstreuern die exakte Regelung der Streuscheiben – und können so den Düngemitteleinsatz um bis zu 20 Prozent senken. Doch um die Anforderungen zunehmend autonom agierender Landmaschinen zu erfüllen, braucht es Sensorik, die nicht nur einzelne Zustände misst, sondern durch die Fusion mehrerer Messgrößen ein vollständiges Bild der Maschinenposition und -bewegung liefert.
Autonomie auf dem Weg zur Serienreife
Die auf dem Messegelände in Hannover gezeigten Innovationen kombinieren smarte Sensoren, KI und Robotik, um landwirtschaftliche Aufgaben auch in unübersichtlichem Gelände zu automatisieren. Um die Sicherheit und Produktivität auch mit weniger erfahrenem Bedienpersonal zu steigern, kommen immer mehr fortschrittliche Assistenzfunktionen in mobilen Arbeitsmaschinen zum Einsatz. John Deere beispielsweise plant bis 2030 alle Schritte vom Anbau bis zur Ernte von Sojabohnen und Mais vollautonom durchführen zu können. KI-gestützte Traktoren erreichen bereits Autonomiestufe 3, was bedeutet, dass sie ohne menschliches Eingreifen eigenständig arbeiten können. Dank neuronaler Netzwerke und ausgefeilter Algorithmen analysieren mobile Arbeitsmaschinen das Gelände, erkennen Hindernisse, identifizieren Objekte, planen Fahrtrouten und führen Steuerbefehle für präzise Manöver aus. „Die Vollautomatisierung befindet sich noch in der Entwicklung, doch mittlerweile zeigen sich viele Fortschritte am Markt, die sich auch an den Ständen auf der SYSTEMS & COMPONENTS widerspiegeln“, so Kaiser. Der Vorteil für den Anwender: vereinfachte Bedienung mit gleichbleibender oder besserer Qualität sowie höhere Produktivität bei verbesserter Energieeffizienz.
Sensorfusion ist eine der Schlüsseltechnologien, um auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen – denn Traktoren, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen sammeln und analysieren zunehmend mehr Daten, um in Echtzeit Entscheidungen zu treffen. Dank Künstlicher Intelligenz ist es möglich, die Daten aus den vielfältigen Quellen zusammenzuführen. So werden Muster erkannt, die sonst unentdeckt blieben. Vorausschauende Wartung nutzt die Techniken des maschinellen Lernens, um Anomalien zu erkennen. Anhand von Vibrations- und Audiodaten, die an der Maschine erfasst werden, lassen sich Ausfälle vorhersagen, bevor sie auftreten. Dies senkt die Wartungskosten und minimiert Ausfallzeiten.

Sensorfusion als Grundlage für Ernteprognosen
Erst die Kombination von Daten aus verschiedenen Sensoren ermöglicht es, ein vollständigeres und genaueres Bild der Umgebung zu erhalten. Im Kontext der Präzisionslandwirtschaft bedeutet dies die Integration von Daten aus Satelliten, Bodensensoren, Wetterstationen, Drohnen sowie IoT-Komponenten von Maschinen und Ausrüstung. Durch die Fusion der verschiedenen Datenquellen entsteht ein ganzheitliches Bild, das es Landwirten ermöglicht, fundierte Entscheidungen von der Aussaat bis zur Ernte zu treffen. „Dank KI und Satellitendaten lassen sich belastbare Antworten auf die Ertragsfrage liefern – Monate im Voraus. Sie macht das Erfahrungswissen der Landwirte nicht überflüssig, sondern ergänzt es durch datenbasierte Analysen in Echtzeit“, sagt Prof. Andreas Dengel, Standortdirektor DFKI Kaiserslautern und Leiter Forschungsbereich Smarte Daten & Wissensdienste. Die Grundlage der Ertragsprognose des am DFKI entwickelten Systems liefert das europäische Copernicus-Programm mit seinen Sentinel-2-Satelliten. Diese umrunden die Erde und erstellen dabei hochauflösende multispektrale Aufnahmen der Oberfläche.
Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Drohnenaufnahmen soll künftig auch der mechanische Pflanzenschutz automatisiert werden. Um Herbizide nur noch punktuell einzusetzen, haben Wissenschaftler des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) in Straubing zusammen mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der TU München ein KI-Modell entwickelt, das Beikräuter von Sorghum unterscheiden kann. Sorghum ist eine wärmeliebende Energiepflanze und vielversprechende Alternative als Biogassubstrat. Die Arbeiten sind inzwischen so weit fortgeschritten, dass Fehlklassifikationen selten sind. Mit den erarbeiteten Grundlagen liegt der Fokus nun darauf, die Technik in Feldroboter zu integrieren.

Edge-KI im Einsatz auf Feld und Acker
Aber wo kommt die Künstliche Intelligenz sinnvollerweise zum Einsatz? Traditionell laufen viele KI-Modelle in der Cloud, das heißt: Die Daten werden zur Verarbeitung und Analyse an leistungsstarke Server gesendet. Allerdings ist das Hochladen großer Datenmengen in die Cloud in vielen landwirtschaftlich genutzten Bereichen physisch gar nicht oder aufgrund fehlender Bandbreite nur eingeschränkt möglich. Edge-KI löst dieses Problem, indem sie die Intelligenz von der Cloud auf die Maschine verlagert.
Embedded-Computing-Boards, wie auf der SYSTEMS & COMPONENTS zu finden sind, bringen die Rechenleistung dorthin, wo die Daten entstehen – direkt in die Maschine. Die On-Chip-KI-Funktionen ermöglichen Entscheidungen mit geringer Latenz, sodass geringere Datenmengen zur Analyse in die Cloud gesendet werden müssen. „Edge-KI revolutioniert die Abläufe in allen Off-Highway-Sektoren, nicht nur in der Landwirtschaft. Durch die wachsende Verbreitung von IoT-Komponenten wie Sensoren und Aktoren wird sie auch bei Baumaschinen immer wichtiger“, betont DLG-Expertin Petra Kaiser. Ein großer Teil der Anstrengungen bei der Entwicklung von KI-Systemen fließt gegenwärtig in die Kuratierung der Trainingsdaten, um eine ausreichende Tiefe zum effektiven Lernen für den vorgesehenen Anwendungsfall zu erhalten – ohne jedoch ein derart großes Modell zu erzeugen, dass es sich auf dem Edge-Gerät nicht mehr ausführen lässt.
Die Zukunft der digitalen Landtechnik
Durch die Optimierung des Ressourceneinsatzes, die Früherkennung von Problemen und die Steigerung der Effizienz können KI-Systeme dazu beitragen, die Herausforderungen der modernen Landwirtschaft zu bewältigen. Wie lässt sich die nächste Stufe der Autonomie erklimmen? Antworten darauf liefert das "Digital Farm Center – presented by FarmRobotix", das auf der diesjährigen AGRITECHNICA seine Premiere feiert. Im Mittelpunkt der neuen Ausstellungsfläche in Halle 21 stehen innovative Technologien aus den Bereichen Digital Farming, Automatisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz.